Veggie Day: Verbote bewirken nichts

Polarisieren lässt es sich ganz gut mit dem Thema „Fleisch vs. kein Fleisch“. Dazu hat jeder eine Meinung und auf Facebook und Twitter funktionieren Grundsatzdebatten ja ohnehin hervorragend. Nach allen hysterischen Diskussionen, die der vermeintlich überraschend vorgeschlagene „Veggie Day“ der Grünen hervorgebracht hat, wird deutlich, wie viele Menschen auf Verbote reagieren. Und auch, wenn das „Verbot“ in diesem Fall nicht von den Grünen, sondern von der Bild-Zeitung kommt: Am Ende bleibt wieder einmal eine Frage offen – Wie schaffen wir es, mit dem Thema „Fleisch-kein Fleisch“ so umzugehen, dass alle Seiten gewinnen?

Grundsätzlich muss man zunächst einmal sagen: Veganer, Vegetarier und Flexitarier fallen – zumindest in meinem Bekanntenkreis – nicht als eben solche vom Himmel. Ein gewisses Grundverständnis für alle Lebensweisen sollte somit in jeder Diskussion vorausgesetzt werden. Und: Veganer, Vegetarier und Flexitarier wird man nicht, weil jemand daherkommt und das Fleisch vom Teller debattiert.

Wenn ich das kann, können andere das auch!

„Mein heißgeliebtes Fleisch“ konnte mir vor 6 Jahren nicht durch ein Verbot genommen werden. Ich habe selbst eingesehen, dass es auch ohne Steak geht, gehen muss. Und wenn ich das einsehen und sogar problemlos umsetzen kann, dann können das andere  – zumindest hin und wieder -auch. Soviel Vertrauen muss man seinen Mitmenschen gegenüber schon aufbringen. Bei mir hat es ganze 26 Jahre gedauert, bis ich mir über Fleischkonsum erstmals und ernsthaft Gedanken gemacht habe.

Verbote machen alles viel interessanter. Und weil ich Fleisch und Milch aus ganz pragmatischen Gründen für meine Mitmenschen nicht interessanter machen möchte, bin ich in diesem Punkt lieber Hippie als Oberlehrerin. Eine „Jetzt erst recht- Haltung“ ist das letzte, was wir  alle gebrauchen können.

Was bringt ein Gemüsetag, wenn alles nur fade schmeckt?

linsensalatAber wie bringt man nun Menschen dazu, sich auch mal vegetarisch oder vegan zu ernähren? Ich fahre seit Jahren mit einer einfachen Strategie sehr gut: Alle um mich herum sollen schmecken, was vegetarische und vegane Küche kann. Wenn ein Steakfreund merkt, dass er an einem Tag ohne Fleisch nicht verhungern wird, hat er keine Angst mehr davor. Was wir brauchen sind darum machbare, preiswerte und vor allem leckere Gerichte in den deutschen Kantinen, Schulspeisungen und Mensen. Ist doch vollkommen klar, dass niemand sein Schnitzel gegen labbrigen, ungewürzten Tofu mit ungesalzener Convenience-Gemüsebeilage eintauschen möchte. Ein wichtiger Schritt sind darum Menschen, die sich etwas trauen am Kantinenkochtopf. Und auf der anderen Seite braucht es Kunden, die diesen Wagemut honorieren. Dass vegane und vegetarische Angebote durchaus funktionieren, zeigen unzählige Projekte.

Anstatt über Verbote oder Nicht-Verbote zu debattieren, könnten wir unsere Energie in konstruktivere Bahnen leiten. Und zwar auch als Kunden, die beim vegetarischen und veganen Gemeinschaftsessen am Anfang zur Not auch mal nachgiebig sind. Ebenso nachgiebig, wie so oft beim konventionellen Essen. Nur weil das Schnitzel in der Kantine einmal nicht geschmeckt hat, habe ich Niemanden aus meiner Umgebung sagen hören, dass „Fleisch an und für sich“ nicht schmeckt. Und auch als Veganerin schmeckt mir  nicht alles, was da so aus der Kantine oder aus der veganen Imbissküche kommt. Aufhören, stets und ständig hysterisch zu meckern, wäre schonmal eine gute Lösung. Und zwar für und von allen Seiten.

Veggie Day: Verbote bewirken nichts

11 Gedanken zu „Veggie Day: Verbote bewirken nichts

  1. Ich bin ganz bei dir, dass Verbote grundsätzlich wenig überzeugend und wirksam sind.
    Und deine Strategie mit Genuß zu überzeugen, ist auch meine. Einige meiner Kollegen denken nach einigen leckeren Kuchen und Cupcakes schon ganz anders über veganes Essen.
    Trotzdem finde ich, dass es hin und wieder ein Schups – vielleicht auch nur ein sanfter – sein darf. Vielen Mitmenschen gibt man mit leckeren (und das ist natürlich wichtig) Gerichten an einem Veggietag in der Woche (das ist einer von 5!!) odervielleicht auch nur 1 im Monat, die Möglichkeit, vegetarische oder vegane Gerichte auszuprobieren und sie vielleicht besser zu finden als vorher gedacht.
    LG und danke für deine tollen Rezepte,
    Andrea

  2. Ich verstehe zwar, was du meinst, aber ich bin nicht ganz deiner Meinung. Nicht jeder Mensch in Deutschland ist gleich, deshalb braucht jeder etwas anderes, um überzeugt zu werden. Was bei dir funktioniert hat, kann bei jemand anders absolut keinen Erfolg erzielen. Nicht jeder hat den gleichen Horizont, die gleichen Gefühle, das gleiche Verständnis. So ein Vorschlag wie von den Grünen soll Kantinen usw. ermutigen, auch mal vielfältigere vegetarische oder sogar vegane Gerichte anzubieten. Also eigentlich genau das, was du schreibst: Durch Geschmack und Vielfalt überzeugen. Dass die Bildzeitung daraus etwas anderes bastelt und die Leute sich aufregen, ist klar. Trotzdem finde ich die Idee gut. Irgendwann ist es manchen einfach zu doof, einen Tag in der Woche nicht in der Kantine zu essen und sie geben einem vegetarischen Gericht doch eine Chance. Ich kenne Menschen, die wirklich nur dann auf ihr Fleisch verzichten würden, wenn es kein Gericht mit Fleisch gäbe. Das passiert aber in den wenigsten Kantinen, weil der Kantinenchef aus heiterem Himmel auf die Idee kommt, die vegetarische Küche zu fördern.
    Was soll denn schlimmstenfalls passieren: Die Leute fühlen sich dauerhaft aus Prinzip so bevormundet, dass sie den Veggie-Day meiden. Irgendwann stellt man fest, dass es sich nicht lohnt und er wird wieder abgeschafft. Also bleibt alles beim Alten. Was kann bestenfalls passieren: Selbst die Verweigerer haben irgendwann keine Lust mehr, den Veggie-Day zu boykottieren und entdecken, dass das Essen doch auch genießbar ist und geben – wie bei vielen Aufregern – irgendwann ihren Widerstand auf. Die Vegetarier und Veganer freuen sich, auch mal einen Tag in der Woche mehr als Salat essen zu dürfen und die, die schon immer mal neugierig waren oder sowieso eigentlich auch gerne mal fleischlos gegessen haben, haben einen Tag die Woche mehr Auswahl. Ich persönlich glaube an eine Mischung aus beidem. In manchen Kantinen werden die Leute bis zuletzt nicht mitspielen, in anderen würde das Angebot gut angenommen werden. Schlimmer als jetzt würde es sicher auch nicht werden.
    Liebe Grüße
    Stephie

  3. Sehr schön gesagt! Ich bin „nur“ Vegetarierin, aber die vegane Küche hat meinen Speiseplan unglaublich bereichert. Was mich bisher gar nicht überzeugen konnte, sind Soja-Joghurts, da habe ich alle erreichbaren Marken durch und mochte wirklich nichts davon. Mandelmilch im Kaffee ist dafür eine umso tollere Entdeckung.

    Mein Mann isst Fleisch (außer Haus), hat sich aber von Anfang an für vegane Rezepte interessiert und kocht nun eine Tofubolognese, die bei uns zuhause noch jeden Fleischesser überzeugt hat (wen es interessiert: der Tofu wird fein zerkrümelt und wie bei Attila Hiltmann unter Rühren sehr scharf angebraten, damit die weiche Konsistenz verschwindet. Der Rest des Rezepts ist die klassische italienische Bolognese, die mehrere Stunden auf dem Herd einkochen muss und deshalb unglaublich aromatisch wird).

  4. Vielleicht sollte man auch in diesem Punkt weniger reden und einfach machen. Wenn Kantinen / Unternehmen den Prozess schleichend vornehmen würden, ohne großes Tam-Tam, sagen wir, zunächst mit einem Veggie-Tag im Monat , der dann gegebenenfalls langsam ausgeweitet wird- ich weiß nicht, ob die Aufregung dann auch so gross wäre. Essen und Essgewohnheiten sind ganz stark mit Gewohnheit verknüpft, das darf man nicht vergessen. Man muss aber dazu sagen, dass es dabei auch auf die generelle Ausrichtung der Kantine und deren handwerkliche Qualitäten ankommt wie auch die Bereitschaft eines Unternehmens, über den Tellerrand (im wahrsten Sinne des Wortes) hinaus zu schauen.

  5. Liebe Nicole,
    so sehr ich deine hererfrischende Meinung schätze, scheint sie mit in diesem Fall doch etwas sehr naiv auszufallen. Vielleicht solltest du bedenken, dass ohne eine juridische Entscheidung auch Frauenrechte, die Abschaffung der Sklaverei und vieles andere nicht durchsetzbar gewesen wären, da sie den common sense einer grölenden Masse entgegenstanden, die leider in keinster Weise reflektiert genug war, um sich in gebührender Tiefe mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Bei der Frage veg. Ernährung ist das nichts anderes.

    P.S.: Warum sie die ganzen PR-Fotos deinerseits eig. von einem Fotografen, der auf seiner Homepage mit geschlachteten Tieren (http://antjeriis.com/fotograf-rene-riis/) posiert???

  6. Liebe Helga,

    danke für deine Meinung. Meine Meinung ist keinesfalls naiv, sondern positiv gestimmt. Ich setze auf den gesunden Menschenverstand und glaube nicht an deine „grölende Masse“.
    Zu deiner Frage was meinen Fotografen angeht: Rene Riis posiert nicht mit geschlachteten Tieren. Auf seiner Homepage findest du Bilder, die er gemacht hat. Ansonsten möchte ich mich nicht dafür rechtfertigen, dass ich nicht nur mit Veganern zusammenarbeite sondern in erster Linie mit Menschen, die ihr Handwerk verstehen und professionell arbeiten. René Riis ist so ein Mensch. Er hat übrigens die ganzen Fotos in La Veganista gemacht.

    Lieber Gruß
    Nicole

  7. Ich bin mir nicht ganz sicher ob ich dir 100% zustimme. Verbote haben ja auch einen Sinn. Es ist ja beispielweise auch verboten Menschen zu töten oder zu verletzen. Diese Gesetze sehe ich jetzt nicht als falsch an, und ich glaube nicht, dass Leute durch das Verbot Lust darauf bekommen es zu brechen. Ich glaube der Unterschied ist eher, die Angst dass einem etwas weggenommen wird. Menschen reagieren auf Veränderungen und „neue Verbote“ viel schlimmer, als auf Dinge die sowieso schon immer verboten sind.

    PS: Zu René Riis – ich fands nur etwas lustig, dass in deinem Buch steht, dass er gern für BEEF arbeitet, die Zeitschrift ist ja auf mehrere Arten unmoralische Kacke unter Bildniveau…

  8. Hallo Lea,

    ich stimme dir zu: Gesetze sind richtig und die stelle ich grundsätzlich auch nicht in Frage mit meiner Ansicht. Es geht mir nur darum, dass jemand, der offen bleibt und offen bzw. selbstbestimmt agiert eher das aus unserer Sicht „Richtige“ tun wird als jemand, dem immer alles vorgekaut und verboten wird. Das ist meine Meinung, andere lasse ich neben mir existieren.

    Ein letztes Wort zu René Riis: Die Freude darüber, dass ein so begabter Fotograf auch vegane Kochbücher fotografiert sollte doch darüber überwiegen, dass er eben nicht nur dieser einen Aufgabe nachgeht sondern auch andere Auftraggeber hat. Es ist ja immer witzig zu sehen, wie genau da hingeschaut wird nach dem Motto: Wenn schon vegan, dann müssen aber auch alle Beteiligten zu 100% vegan sein. Das ist nicht nur unmöglich sondern auch unproduktiv. Ich suche mir Menschen in meiner Umgebung nicht nach ihrem Ernährungsstil aus sondern achte auf Persönlichkeit, darauf ob ich gut mit ihnen arbeiten kann. Damit bin ich immer gut gefahren und ich kenne übrigens nur wenige Leute, die sich überhaupt aussuchen können, mit wem sie arbeiten. Wer im Büro sitzt und kann ja auch nicht darauf bestehen, dass alle plötzlich vegan werden nur weil man es selbst ist.

    In diesem Sinne: Danke für eure Meinungen und Anregungen hier! Bleibt offen und selbstbestimmt :)

  9. Ich persönlich finde auch, dass Verbote grundsätzlich erstmal nichts bringen. Wenn man den Leuten ihr Essen madig macht und ihnen erklären möchte, dass sie ungesund und unethisch essen, bewirkt das nur eins: stures Abblocken und Augen verdrehen. Das kann ich sogar verstehen, mir ging es nämlich lange Zeit genauso! Bis um mich rum immer mehr Leute vegetarisch, teilweise vegan, wurden und ich mich zwangsläufig mit Grünfutter auseinandersetzte. Dann kam im Fernsehen eine Doku über den Skandal einer großen deutschen Geflügelfirma…… Und von da an flogen nach und nach fleischliche Produkte von meinem Teller. Zuerst Geflügel, dann Rind, dann Schwein, dann Fisch…….. Und dank der wundervollen Bücher von Nicole koche ich jetzt mehr und mehr vegan, probiere viel aus. Man muss von selbst drauf kommen, dass das geht und gut tut. Verbote sind jedenfalls keine Lösung!

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